Fotografin Katharina Gruzei blickt in ihrem Projekt „Bodies of Work“ im Lentos Museum auf Werftarbeiter

Den Haufen Metallspäne, der auf den Boden des Ausstellungsraums des Linzer Lentos Museums gekippt wurde, hätte es gar nicht gebraucht: Man kann die Ästhetik und beinahe auch den Geruch von gefrästem Metall aus den Bildern wahrnehmen, die da an der Wand hängen. Zwei Monate hat die Fotokünstlerin

Katharina Gruzei
dafür am Werksgelände der Linzer Schiffswerft (ÖSWAG) verbracht, sie hat die schweren Metallteile an den Kränen, die Arbeiter in Schutzanzügen, die Schiffsschrauben und die massiven Anlagen genau inspiziert.

Verena Gruzei/Bildrecht Wien

Große Tradition

Die Fotografien, die in dieser Zeit entstanden, bestechen durch ihre klare Komposition, die exakte Ausführung und den genauen Blick auf Details, doch sie sind nicht „originell“ in dem Sinn, dass sie bislang ungesehene Dinge zeigen: Die Geschichten der Industrie und der Fotografie verliefen praktisch von Beginn an parallel, es ist fast unmöglich, dem Kanon noch Neues hinzuzufügen. Gruzei weiß das zweifellos, manche ihrer Bilder wirken wie kleine Hommagen an

Lewis Hine
, Bernd und Hilla Becher, August Sander und andere Größen des Genres.

Warum also gerade jetzt Industrie fotografieren? Das Motiv, etwas festzuhalten, was es in dieser Form bald nicht mehr geben wird, spielt in der Schau (noch bis 19. August) zweifellos eine Rolle. Denn auch wenn Gruzei die hochgerüsteten Arbeiterkörper mit „Cyborgs“ und das halb fertige Fährschiff in der Werkhalle mit einem Weltraumkreuzer vergleicht, sind Roboter in den Bildern in auffälliger Weise abwesend.

Verena Gruzei/Bildrecht Wien

Noch ohne Roboter

Die Arbeiter der letzten Donauwerft in

Österreich
, die noch ganze Stahlschiffe baut, erscheinen in ihrer Schutzkleidung eher wie die Außenposten auf einem unwirtlichen Planeten: Ihnen bläst der Wind der automatisierten Revolution entgegen.

Der Titel „Bodies of Work“, der sowohl „Werkstücke“ als auch „Arbeiterkörper“ bedeuten kann, verweist darauf, dass menschlicher Körper, Maschine und Produkt in dem hier gezeigten System noch aufeinander angewiesen sind. Selbst wenn die Arbeit in Werften nicht völlig automatisierbar sein sollte, bleibt die Frage, ob die Menschen in dieser Branche sichtbar bleiben werden: Die Auslagerung schwerer Industrie in ferne Länder (oft mit schlechteren Arbeitsbedingungen) impliziert häufig ein Verschwinden der Arbeiter von der Bild-Fläche. In der heroischen Darstellung früherer Tage begegnet einem der Fabrikarbeiter außerhalb
Nordkoreas heute ohnehin nirgendwo mehr.

Verena Gruzei/Bildrecht Wien

Gruzeis Ausstellung lässt damit über ihr unmittelbares künstlerisch-dokumentarisches Thema hinaus denken: In einer Zeit, in der Arbeit ohne greifbare Symbole (Hammer! Sichel! Schweißkolben!) auskommen muss, braucht es neue Darstellungsformen für die Arbeit – und für das Leben derer, die sie (noch) verrichten.

Die Ausstellung „Bodies of Work“ ist noch bis 19. 8. im

Lentos
Museum Linz zu sehen. Bei der Finissage (19. 8., 15 Uhr ) wird der Bildband zum Projekt präsentiert (Edition Fotohof, Salzburg, 224 Seiten).