Das Sozialministerium beharrt trotz gegenteiliger Angaben im Begutachtungsentwurf darauf, bis 2023 eine Milliarde einzusparen.

Der Begutachtungsentwurf zur
Kassenreform
liegt nun vor. Neben der Darstellung der neuen Strukturen, die eine deutliche Aufwertung der Dienstgeber sowie mehr Einfluss für die Regierung bringen, ist auch eine Kostenschätzung angefügt. Demnach werden durch Synergien im Back-Office-Bereich und Personalreduktion bis 2026 Einsparungen von gesamt 350 Millionen erwartet.

Die Regierung geht freilich offenbar davon aus, dass man indirekt noch auf anderen Gebieten Kosten reduzieren kann. Denn am Vortag war bei der Präsentation der Pläne noch von Einsparungen in Höhe von einer Milliarde bis 2023 die Rede. Im Begutachtungsentwurf sieht man dagegen bis zu diesem Jahr bloß ein Potenzial von rund 33 Millionen. Erst danach wird ein deutlicher Anstieg des Einsparungsvolumens angeführt, wohl auch dadurch, dass die Zahl der Mitarbeiter durch natürlichen Abgang erst in einigen Jahren merkbar sinken wird.

Regierung beharrt auf Milliarde

Das Sozialministerium beharrt allerdings darauf, mit der Kassenfusion bis 2023 eine Milliarde einsparen zu können. Das ergebe sich allein schon durch die geplanten Trauma-Netzwerke sowie durch Synergien bei gemeinsamem Einkauf und IT. Wieso im Begutachtungsentwurf des Sozialministeriums gänzlich andere Zahlen genannt werden, wurde nicht erläutert.

In einer weiteren Stellungnahme erklärte das Sozialministerium, dass man im Begutachtungsverfahren nur Zahlen des Bundes angeben könne. Für die Selbstverwaltung könne man keine Angaben machen.

In der Ausgabenschätzung des Begutachtungsentwurfs ist von 33 Millionen Einsparungen für das Jahr 2023 unter dem Titel “Finanzielle Auswirkungen für alle Gebietskörperschaften und Sozialversicherungsträger” die Rede. Für 2024 wird dann von 68 Millionen ausgegangen, im Jahr darauf von 106 Millionen und schließlich 2026 von 144 Millionen. Zusammenfassend heißt es: “Unter der Annahme einer linearen Einsparung von bis zu 10 Prozent der Personal- und Sachaufwendungen des Verwaltungsbereiches der Sozialversicherung wird im genannten Zeitraum ein Einsparungspotenzial von rd. 350 Mio. erreicht ohne dass hierbei das Leistungsniveau der Sozialversicherungsträger verändert wird.”

All diese Einsparungen beziehen sich laut Entwurf ausschließlich auf die Sozialversicherungsträger. “Aus dem Vorhaben ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen für Bund, Länder und Gemeinden”, heißt es in dem in
Begutachtung
ausgeschickten Papier.

Die erhofften Einsparungen ergeben sich vor allem durch Synergieeffekte durch die Reduktion von 21 auf fünf Träger. 

 

Was die Gremienstruktur angeht, entspricht der Entwurf den Ankündigungen der Regierung. Künftig wird es nur noch fünf Träger geben, wobei die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) neun Länderabteilungen hat und die neue Selbstständigenkasse für ihren Bereich auch die Unfallversicherung von der AUVA übernimmt. Diese bleibt ebenso bestehen wie die
Pensionsversicherungsanstalt
und die mit den Eisenbahnern fusionierte Beamtengewerkschaft. Die Betriebskrankenkassen bekommen die Möglichkeit in die ÖGK hinein zu optieren. Andernfalls sind sie gesetzlich als private Wohlfahrtseinrichtungen zu etablieren. Die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates wird in eine eigenständige berufsständische Versorgungseinrichtung übergeführt.

Über all dem thront nicht mehr der Hauptverband der Sozialversicherungsträger sondern bloß ein deutlich abgespeckter und entmachteter Dachverband, bei dem der Vorsitz zwischen den Vorsitzenden der Träger rotiert.

Äußerst günstig ist die Neustrukturierung für die Dienstgeber-Vertreter, gibt es doch künftig im neuen Spitzengremium, dem Verwaltungsrat, eine Parität. Der Vorsitz rotiert halbjährig, wobei es hier auch eine kleine Ausnahme zu Gunsten der Arbeitgeber gibt. Sie werden nämlich laut Gesetz als erste die Kassenchefs besetzen dürfen und das wird dann gleich ein Jahr sein. Denn schon Mitte 2019 übernehmen die so genannten Überleitungsgremien das Kommando und die Vorsitzenden bleiben dann auch der Kontinuität wegen das erste halbe Jahr der neuen Kassen ab Anfang 2020 im Amt. Neben dem Verwaltungsrat gibt es übrigens noch eine
Hauptversammlung
, die etwa für den Budgetbeschluss verantwortlich ist. In die werden auch Pensionisten- und Behindertenvertreter integriert, allerdings ohne Stimmrecht.

Übergangsphase

Während der Übergangsphase, die kommenden April beginnt, hat sich auch das Sozialministerium zusätzliche Rechte gesichert. Kommt es in den Ausschüssen zu einem Patt, kann dass Ressort als Aufsichtsbehörde in der ÖGK die Entscheidung treffen – vorausgesetzt, dass die Gefährdung wichtiger Interessen der Kasse im Raum stehe. Überhaupt hat die Regierung künftig in der ein oder anderen Frage mehr Rechte, etwa sind Dienstpostenpläne für Spitzenpersonal von Sozial- und Finanzressort abzusegnen.

Auch bei der Personalauswahl spielt die Regierung mit. Es wird eine Kommission aus Vertretern von Sozial- und Finanzressort eingerichtet, die im Wege eines “Fit-und-Proper-Tests” zu prüfen haben wird, ob die angehenden Versicherungsvertreter über die nötige fachliche Eignung verfügen. An sich wird weiter nach den Ergebnissen der Kammer-Wahlen entsendet, wobei eben nun gleich viele Wirtschafts- wie Arbeitnehmer-Vertreter in den Spitzengremien auch von Gesundheitskasse und Pensionsversicherungsanstalt repräsentiert sind, wiewohl diese im Wesentlichen nur für Dienstnehmer zuständig sind. Beiträge werden freilich auch fast in gleicher Höhe von den Arbeitgebern berappt.

Personal reduziert wird fürs erste nur bei den Spitzenpositionen. Die Beschäftigten können zwar nicht gefeuert wohl aber versetzt werden, dann nämlich, wenn Aufgaben an andere Kassen delegiert werden. Das heißt, die Mitarbeiter sollen ihren Aufgaben “folgen”, wie es in den Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf heißt.

Extra-Zuschüsse in Höhe von 100 Millionen wird es über einen Fonds in der ÖGK geben und zwar für Innovationen. Auch der bäuerliche Teil der Selbstständigen-Kasse kann sich über Zuwendungen freuen, und zwar zur medizinischen Versorgung des ländlichen Raums.

Zeit zur Stellungnahme ist nun einige Wochen. Die Begutachtungsfrist läuft am 19. Oktober aus.