Zählt nur die Bikini-Figur oder geht es um innere Werte? In den USA tobt ein Streit um Miss-Wahlen

Als im September 1968 in Atlantic City der alljährliche „Miss


America
“-Schönheitswettbewerb startete, traten 400 wütende Feministinnen mit der Parole „Frauen sind kein Fleisch“ auf den Plan.

Genau 50 Jahre später droht die Gegenbewegung.

An der Spitze der Organisation des Schaulaufens um Anmut und Ausstrahlung ist ein erbitterter Zickenkrieg um ein Stück Stoff ausgebrochen.
Bikini or not Bikini (oder Badeanzug)? – das ist die Schlüsselfrage in einem Drama, das sich seit Tagen zur gefühlten Staatsaffäre hochschaukelt, in der eigentlich nur noch der frühere Schönheitswettbewerb-Mitveranstalter

Donald Trump als Schiedsrichter fehlt.

Der Reihe nach: Im vergangenen Winter, die durch die sexuellen Übergriffe
Harvey Weinsteins entstandene #MeToo-Bewegung gegen Frauenfeindlichkeit war auf ihrem Höhepunkt, wurden unflätige Äußerungen über ehemalige Schönheitsköniginnen bekannt.

Urheber: Sam Haskell. Der damalige Chef der Miss America-Organisation musste gemeinsam mit einigen Mitstreitern seinen Hut nehmen. An seine Stelle rückte


Gretchen Carlson
.

Die Beauty Queen

Die frühere Beauty-Queen (1989) hatte es zuvor zu einigem Ruhm gebracht, weil sie – einst Nachrichten-Moderatorin des TV-Senders


Fox News
– den Network-Boss Roger Ailes wegen sexueller Belästigung verklagt und am Ende 20 Millionen Dollar Schadensersatz erhalten hatte. Die resolute Blondine aus Minnesota sah im neuen Amt die Zeit für einschneidende Veränderungen gekommen.

Im Juni stand der einstimmige Beschluss:


Fleischbeschau
im Bikini oder Badeanzug auf Stöckelschuhen (warum eigentlich nie Flip-Flops?) wird abgeschafft.

Jede Teilnehmerin soll anziehen, was ihrer Persönlichkeit am nächsten kommt. Schlabber-Jogginghose? Kein Tabu. „Wir werden euch nicht mehr nach dem Aussehen beurteilen, weil wir daran interessiert sind, was ihr denkt“, sagte Carlson und brachte die Neuerung nach knapp 100 Jahren Wettbewerbs-Historie radikal so auf den Punkt: „Wir sind kein Schönheitswettbewerb mehr.“ Wie bitte?

Despotische Alleingänge

Dann brach aus, was Beteiligte in US-Medien einen veritablen „Bürgerkrieg“ nennen. Vertreter von Miss-America-Untergliederungen aus 22 Bundesstaaten sowie etliche inzwischen betagte Schönheits-Königinnen gingen öffentlich auf die Barrikaden. Sie beschuldigten Carlson despotischer Alleingänge und Täuschungsmanöver und verlangten kurzerhand ihren Rücktritt und den von CEO Regina Hopper. Hauptargument: Ohne die Badeanzug-Einlage verliere das Fernsehen das Interesse an der Show. Ohne Fernsehen keine Werbe-Einnahmen. Ohne Werbe-Einnahmen ein künftig noch größeres Defizit als die rund 550.000 Dollar im Jahr 2016.

Andere ehemalige Beautys kämpfen auf der Seite von Gretchen Carlson. Schließlich gehe es bei den Bewerben auch um „innere Werte“.

Bei der Miss Texas-Ausscheidung in Dallas traten kürzlich drei ehemalige Beauty Queens in T-Shirts bedruckt mit Slogans auf. „Wenn wir keinen Badeanzug haben, verlieren wir einen vitalen Teil von Miss Texas und Miss America“, stand dort zu lesen. Wie der Streit ausgeht, ist höchst ungewiss.

Dirk Hautkapp